Für wen ist dieses Trauma-Bilderbuch gemacht?

Das Bilderbuch war ursprünglich für die gemeinsame Nutzung innerhalb der betroffenen Familien gedacht:

  • für Kinder aus von Krieg betroffenen Ländern, die vor oder während ihrer Flucht in ein sicheres Land überwältigende Angsterfahrungen gemacht haben und auch nach der Herstellung einer gewissen äußeren Sicherheit noch in irgendeiner Weise unter den Folgen leiden,
  • für Eltern, die ihr Kind in dieser Situation besser verstehen und ihm helfen wollen.

Inzwischen wird es auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern genutzt, die Flüchtlingskindern in Kindergärten, Schulen, Vereinen und Unterkünften zur Seite stehen, was mich sehr freut. Für sie finden sich weiter unten Nutzungshinweise. Das Bilderbuch wurde auch schon mehrfach von Kinderärzten/innen, Heilpraktiker/innen, Psychotherapeuten/innen und Trauma-Therapeuten/innen bei mir angefordert und sehr positiv kommentiert.

Hier finden Sie die Präsentationsfolien meines Vortrags zur Arbeit mit den Trama-Bilderbüchern. Teil 1 handelt von der trauma-sensiblen Pädagogik, Teil 2 von Nutzungsmöglichkeiten der Trauma-Bilderbücher in Kitas, Schulen und Unterkünften:

Kann man das Trauma-Bilderbuch käuflich erwerben?

Das Trauma-Bilderbuch ist ein ehrenamtliches Projekt und meine Spende für die Menschen, die Gewalt und Flucht erlebt haben. Die Bilderbücher sollen den geflüchteten Familien und ihren ehrenamtlichen Unterstützer/innen kostenlos zur Verfügung stehen. Am besten ist es, wenn die betroffenen Kinder oder Familien ein eigenes Exemplar behalten und individuell nutzen können. Daher können die Bilderbücher kostenlos im Internet angesehen oder auch ausgedruckt werden.

Wenn Sie als Therapeutin oder Therapeut, Lehrer/in oder Berater/in die Bilderbücher ausdrucken und im professionellen Kontext als Arbeitsmittel verwenden, senden Sie mir doch bitte eine Nachricht, damit wir einen fairen Ausgleich finden können: eine Zusendung Ihrer Veröffentlichungen, eine Spende oder Ähnliches. Außerdem freue ich mich immer, wenn Sie mir schreiben, welche Erfahrungen Sie mit dem Einsatz der Bilderbücher machen.

Geflüchteten Familien und ihren ehrenamtlichen Unterstützer/innen kann ich auch kostenlose Farb-Ausdrucke zur Verfügung stellen, da mir verschiedene Organisationen, allen voran die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), immer wieder mit Ausdrucken helfen. Wenn Sie daran interessiert sind, senden Sie mir gern einen adressierten und frankierten Rückumschlag zu. Bitte fragen Sie vorher an bei susanne.stein@hamburg.de an, ob Exemplare in der von Ihnen gewünschten Sprache aktuell vorhanden sind. Dank der GEW konnten wir auch bereits Pakete mit Bilderbüchern in größerer Zahl in den Irak, nach Griechenland und in die Türkei senden.“

Wie kann das Trauma-Bilderbuch im besten Fall helfen?

  • Kinder können sich selbst besser verstehen. Sie erfahren eine Erleichterung, weil es für ihre andauernden Ängste oder Körpersymptome (psycho-)logische Erklärungen gibt. Eventuelle Scham- und Schuldgefühle werden verringert. Ihre Zuversicht wird gestärkt.
  • Eltern und Helfer/innen können die Kinder besser verstehen. Sie erfahren, womit sie den Kindern die Situation erleichtern können und welches Verhalten den Kindern zusätzliche Probleme macht. Das hilft auch, weil sich die Eltern und Helfer/innen oft ohnmächtig fühlen.
  • Die Eingangstür zur Trauma-Therapie wird gezeigt und einen Spalt weit geöffnet. Eine eher unbekannte Möglichkeit der Behandlung rückt damit in den Bereich des Möglichen.

Ersetzt das Trauma-Bilderbuch eine Therapie?

Das ist leider nicht möglich. Das Trauma-Bilderbuch ist eine kleine Trauma-Hilfe. Im Bild gesprochen ist es „eine Krücke, mit der man bei einer Beinverletzung besser durch die schwere Zeit kommt, bis die Wunde langsam verheilt oder vom Spezialisten behandelt werden kann.“ Das Trauma-Bilderbuch kann das Leiden nicht aufheben, aber – hoffentlich – mildern und die Zuversicht stärken. Ich folgte dabei einem chinesischen Sprichwort: „Lieber eine Kerze anzünden als über die Finsternis klagen“.

In der Fachsprache würde es heißen: Das Bilderbuch kann einen Beitrag zur Stabilisierung, zur Ressourcenaktivierung und zur Psychoedukation leisten. Es hilft so hoffentlich bei der der wichtigen Entlastung von Eltern und Kindern.

Wie kann man das Trauma-Bilderbuch hilfreich einsetzen?

Als Unterstützer/in können Sie den Eltern oder Kindern das Bilderbuch anbieten oder mit ihnen zusammen ansehen. Für die Betroffenen ist es wichtig, dass Sie dabei diese Haltung einnehmen: Sie begleiten die Kinder oder Erwachsenen freundlich, bescheiden und anteilnehmend bei der Lektüre, sie nehmen ihre Gefühle wahr und antworten auf ihre Fragen. Sie wissen nichts besser, sie stellen keine Diagnose. Sie machen ein Erklärungsangebot. Sie zeigen Hilfsmöglichkeiten auf. Wenn es hilft, ist es gut. Wenn die Betroffenen es ablehnen, ist es ihr gutes und wichtiges Recht.
Oder, um auf das Bild mit der Krücke zurück zu kommen: Sie wissen, dass Sie nur eine „Krücke“ anbieten und nicht „der Arzt oder die Ärztin“ sind.

Und was tue ich, wenn das Kind beim Betrachten der Bilder oder beim Malen auf belastende Erinnerungen stößt?
Ich habe mit Trauma-Therapeuten/innen über diese wichtige Frage gesprochen, die mir auf Veranstaltungen häufig gestellt wurde, und folgende Hinweise für „Laien-Helfer/innen“- das sind wir alle, die wir keine traumatherapeutische Ausbildung haben … – bekommen. Dafür bedanke ich mich insbesondere und ganz herzlich bei Annette Junge-Schepermann, Psychologin und Kindertraumatherapeutin aus Hamburg:

„Wichtig im Umgang mit ggf. traumatisierten Kindern ist eine konsequente Ressourcenorientierung und das Vermeiden von Interventionen, die zu einer Überflutung mit unverarbeiteten traumatischen Erinnerungsfragmenten führen könnten. Es ist sehr hilfreich und meist völlig ausreichend, wenn Sie mit dem Kind etwas tun, bei dem es seine Stärken erleben oder neue gute Erfahrungen machen kann. Schon wenn das Kind spürt, dass Sie es ermutigen und ihm helfen möchten, tut ihm dies gut. Sie können somit sehr viel Hilfreiches für die betroffenen Kinder tun, ohne an belastende Erinnerungen rühren zu müssen. Die Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse sollte eher Fachleuten überlassen werden.
Wenn ein Kind von sich aus über schreckliche Erlebnisse spricht oder schreckliche Erinnerungen malt, ist es sinnvoll, folgende Hinweise zu beherzigen:

  • Bestätigen Sie in Ihren Worten, dass das Erlebnis schlimm gewesen sein muss, ohne dabei auf möglicherweise traumatische Details weiter einzugehen: „Das war sicher sehr, sehr schlimm für dich.“ reicht. Es ist wichtig, den Opferstatus des Betroffenen und seiner Familie ohne jedes Wenn und Aber anzuerkennen und zu signalisieren, dass man das Ausmaß des „Schrecklichen“ begriffen hat – gleichzeitig sollte man aber konsequent auf die vorhandenen Stärken und Ressourcen und ggf. vorhandenen positiven Fügungen in dem erlebten Grauen fokussieren. Trösten Sie das Kind, wenn es das braucht. Wenn Sie diese Hinweise beachten und ansonsten ohne Scheu aus dem Herzen heraus handeln, werden Sie sicher alles genau richtig machen!
  • Forschen Sie also nicht nach. Verzichten Sie auf Informationen, auch wenn Sie selbst ggf. sehr daran interessiert sein sollten. Wenn das Kind von sich aus über traumatische Details sprechen möchte, dann lassen sie es wenn möglich die Situation beim Erzählen malen oder mit Püppchen oder ähnlichem nachstellen. Ermutigen Sie das Kind, die Situation in der dritten Person, wie aus einer „Adler-Perspektive“ heraus zu erzählen: „Dann ist der Ahmed erstmal weggerannt…“ statt „Dann bin ich erstmal weggerannt“. Diese Maßnahmen sollen helfen, dass sich das Kind von dem Erlebten ein Stück weit distanzieren kann, um dabei möglichst nicht von unverarbeiteten Gefühlen oder Körpersensationen aus der Trauma-Situation überflutet zu werden.
  • Gehen Sie so bald wie möglich ruhig und klar wieder in die Ressourcen-Orientierung über: „Was hat dir denn geholfen, die schlimme Situation zu überstehen?“ Und falls das Kind das gar nicht benennen kann, fragen Sie: „Wann geht es dir heute gut? Wen oder was magst du gern?“ Oder: „Was wollen wir jetzt spielen, tun, malen …, damit es dir wieder besser geht?“ Dafür ist es natürlich hilfreich, wenn Sie das Kind schon ein wenig kennen und wissen, was es gerne macht. Oder aber Sie finden es in der Situation mit dem Kind gemeinsam heraus. Wenn das Kind die traumatische Situation gemalt oder nachgestellt hat, kann man es auch einladen, in dem Bild bzw. im Spiel die erlebte Situation „zu einem guten Ende zu führen“, das Kind also einzuladen, zu fantasieren und zu malen bzw. nachzustellen, was hätte passieren sollen, damit die Situation gut hätte ausgehen können. Dies hat meist einen unmittelbar heilsamen und beruhigenden Effekt und entspricht einfachen Interventionen, die auch Kinder-Traumtherapeuten/innen als Verarbeitungshilfe einsetzen.

Wenn Sie sich nach solchen Erfahrungen weiter Sorgen um das Kind machen, haben Sie keine Scheu, mit den Eltern und ggf. mit therapeutischen Fachleuten darüber zu sprechen.“

Warum ist im Trauma-Bilderbuch nicht von den Traumata der Erwachsenen die Rede?

Die Situationen von Flüchtlingsfamilien sind oftmals noch komplizierter und dramatischer als im Trauma-Bilderbuch dargestellt. Vielleicht sind die Eltern selbst traumatisiert, vielleicht sind Familienmitglieder gestorben, vielleicht gab es wiederholte Angsterfahrungen. Es gibt leider allzu viele Steigungsformen des hier vorgestellten Leids. Die Betroffenen brauchen dann sicher noch andere Hilfen.

Das Trauma-Bilderbuch nimmt „nur“ die Perspektive eines Kindes ein, das mit seinen Eltern zu uns fliehen musste und nun hier lebt. Es arbeitet bewusst mit dem Mittel der Reduktion auf etwas Überschaubares und etwas Wesentliches: Das Trauma-Bilderbuch ist dazu da, kriegstraumatisierten Kindern direkt oder indirekt zu helfen durch Verstehen, praktischen Hilfen, Ermutigung und Hinweisen auf Therapiemöglichkeiten. Mehr kann und soll es nicht leisten.

Warum habe ich als Pädagogin und Personal-/Organisationsentwicklerin ein Trauma-Bilderbuch „in die Welt gesetzt?“

Das kam so: Im Herbst 2013 wollten mein Mann und ich nur eine kleine Spende in eine Flüchtlingsunterkunft hier in Hamburg bringen, dann aber passierte viel mehr. Wir haben faszinierende Menschen mit sehr schweren Schicksalen kennengelernt. Schnell wurde deutlich, dass Spenden gut aber nicht ausreichend sind. Wichtiger waren Gespräche, Besuche, gemeinsame Unternehmungen. So sind mit der Zeit herzliche und intensive Beziehungen entstanden, die zum Teil bis heute andauern. Größere Spendenaktionen folgten und die Idee zu diesem Trauma-Bilderbuch entstand. Warum? Wir konnten bei unseren Besuchen aus nächster Nähe sehen, wie begabte Kinder offen oder versteckt leiden und liebevolle Eltern nicht wissen, wie sie ihnen helfen sollen. Zugleich haben wir ihre Kraft und Lebenslust erlebt. Das hat mich dazu gebracht, meine pädagogischen und psychologischen Kenntnisse und meine Freude an Kreativität für dieses Bilderbuch einzusetzen. Dabei haben mich viele Menschen aus meinem Umfeld aktiv unterstützt, u.a. eine Diplompsychologin, ein Arzt für psychosomatische Medizin und Psychoanalyse und zwei Traumatherapeutinnen von der Stiftung Children for Tomorrow im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Weitere Informationen finden dazu sich im Impressum des Trauma-Bilderbuchs auf S. 45 und 46.